Märchen vom kleinteiligen Schulnetz spielt jenseits der Realität
Im Rahmen einer großen Schulgesetznovelle will Bildungsministerin Feußner erstmals konkrete Vorgaben für die Genehmigung von Anfangsklassen in den Schulen des Landes per Gesetz regeln. Bisher waren solche Regelungen Gegenstand der Verordnung zur Schulentwicklungsplanung. Dabei sollen die für die Einrichtung von Anfangsklassen geforderten Mindestschülerzahlen teilweise drastisch angehoben werden. Ziel ist eine verstärkte Konzentrationen der Schüler:innen an weniger Schulstandorten, um durch die Bildung von größeren und dadurch weniger Klassen scheinbar eine bessere Lehrkräfteversorgung zu erreichen. Begründet werden diese neuerlichen Eingriffe in die Planungshoheit der Schulträger mit der Behauptung, Sachsen-Anhalt verfüge über ein zu kleinteiliges Schulnetz und könne die daraus resultierende geringe Schüler-Lehrer-Relation mit dem vorhandenen Personal nicht mehr abbilden. Dazu erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher, Thomas Lippmann:
„Letztlich sollen die Schüler:innen den Preis für die Fehlplanungen in der Lehrkräfteausbildung durch mehr und längere Beförderungen und überfüllte Klassen bezahlen. Denn das Gerede über ein angeblich zu kleinteiliges Schulnetz ist schlichter Unsinn. Hier wird versucht, die neue Schulschließungswelle mit scheinbar objektiven Fakten zu begründen. Doch das hat mit der Realität nichts zu tun und gehört ins Reich der Märchen.
Im ersten Nachwendeschuljahr gingen noch 368.021 Schüler:innen in 1.731 öffentliche Schulen, das waren durchschnittlich 213 Schüler:innen je Schule. Im letzten Schuljahr gingen 189.439 Schüler:innen (-48,5 Prozent) in nur noch 747 öffentliche Schulen (-56,8 Prozent), das waren durchschnittlich 254 Schüler*innen je Schule. Nach der Schließung von fast 1.000 Schulen sind die verbliebenen Schulen heute trotz der extrem niedrigen Schülerzahl durchschnittlich größer als nach der Wende. Wer da von einem zu kleinteiligen Schulnetz spricht, muss schon sehr große Scheuklappen tragen, um die tatsächlichen Verhältnisse so komplett auszublenden.
Auch im bundesweiten Vergleich ergibt sich kein Hinweis, dass Sachsen-Anhalt im Hinblick auf sein Schulnetz und seinen Lehrkräfteeinsatz einen Nachholbedarf hätte. Im Gegenteil: bereits im vorletzten Schuljahr lag die Schüler-Lehrer-Relation für alle allgemeinbildenden Schulen mit 13,75 nur knapp vor Mecklenburg-Vorpommern (14,16) und Sachsen (14,13) auf den drittschlechtesten Platz (siehe Grafik 1 im Anhang). Dabei werden die Möglichkeiten für eine Effizienzsteigerung beim Lehrkräfteeinsatz durch die durchschnittliche Schülerdichte begrenzt (siehe Grafik 2 im Anhang).
Alle bisherigen Erfahrungen zeigen auch, dass die Schließung öffentlicher Schulen nicht im gleichen Maß zu einer Konzentration der Schüler:innen an den verbleibenden Schulen führt, weil die Eltern dann zum Teil auf private Schulen ausweichen. Das führt schon jetzt dazu, dass der Anteil der Schüler:innen an privaten Grundschulen in Sachsen-Anhalt nach Mecklenburg-Vorpommern bereits heute am höchsten ist (siehe Grafik 3 im Anhang). Es ist ein viel zu hoher Preis, den Schüler:innen, Eltern und die Schulträger für immer neue Schließungspläne bezahlen.“