Kalte Strukturreform der Krankenhäuser verhindern ‐ Gesundheitliche Daseinsvorsorge im Land sicherstellen

Nicole Anger

Nicole Anger, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, betont in der Landtagsdebatte um die gesundheitliche Daseinsvorsorge:

„Durch die ganzen Verzögerungstaktiken auch hier im Land droht im Vorfeld der von Minister Lauterbach geplanten Krankenhausreform ein Kliniksterben. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft laufen aufgrund gestiegener Kosten knapp zwei Drittel aller Krankenhäuser Gefahr, die Reform nicht mehr zu erleben. Mit unserem Antrag wollen wir ein kaltes Krankenhaussterben vor der Reform als auch mit und nach der Reform verhindern. Und wir wollen vor allem die gesundheitliche Grundversorgung der Menschen garantieren.

Die Reform soll Missstände in der Gesundheitsversorgung und auch in deren Finanzierung beheben. Aber momentan sieht es nur nach einem Kahlschlag aus. Die ersten Auswirkungen sind bereits zu spüren. Schließungen werden vor allem die kleinen Häuser treffen. Das sind die Grundversorger im ländlichen Raum. Die großen Privaten hingegen stoßen bereits jetzt ab, was nicht Profite bringt. So zuletzt die Geburtsstation in Halberstadt. Dies reiht sich ein mit den anderen Schließungen wie in Havelberg, Genthin, Gardelegen, Zeitz, Schönebeck und Ballenstedt.

Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigte Revolution der Krankenhausfinanzierung, das Ankündigen der Überwindung der Fallpauschalen ist eine Nebelkerze. Defizitäre Bereiche wie Geburtshilfe, Kindermedizin und Notaufnahme werden als erstes wegbrechen. Die Liquiditätshilfen im Gesetz sind auch nur der Modus linke Tasche, rechte Tasche. Es wird kein zusätzlicher Euro fließen, sondern nur die Zahlungen werden vorgezogen, im worst case werden die Pflegebudgets gegengerechnet.

Der Wettbewerb um die knappen Ressourcen ist bereits entbrannt. Er schürt bereits Unsicherheiten beim Personal, aber auch bei den Menschen im Land. Dabei dürfen wir keinen Tag länger tatenlos zusehen. Gesundheitsversorgung ist für die Menschen da, es ist Daseinsvorsorge und keine Profitmaschinerie. Das Streben nach Profiten hat in den letzten 20 Jahren das Gesundheitssystem zerrüttet.

Für 2024 wird die Zahl der Krankenhäuser, die rote Zahlen schreiben, bundesweit steigen. Es werden 80 Prozent der Häuser sein! Also vier von fünf Krankenhäusern! Auch die Kommunen schlagen schon länger Alarm. Sie müssen in ihre kommunalen Einrichtungen enorm hinein finanzieren. Das Land ist in den zurückliegenden Jahren hingegen nicht einmal dem notwendigen Investitionsbedarfen nachgekommen. Das Rettungsschirmchen von 21 Millionen des Landes im letzten Jahr war nicht spürbar. Die KHG spricht von fehlenden 320 Millionen Euro plus fehlender Investitionskosten, die in die Milliarde gehen.

Bei vielen alltäglichen Unfällen und Krankheiten muss aber innerhalb von maximal 30 Minuten eine erreichbare Erstversorgung vorhanden sein. Es braucht daher eine Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Die strikte Unterscheidung zwischen den Sektoren bei Planung und Versorgung muss zugunsten einer sektorenübergreifenden integrierten Bedarfsplanung überwunden werden.

Deswegen müssen wir mit einer Krankenhausentwicklungsplanung  genau das angehen. Das heißt für meine Fraktion und mich aber auch, dass die sogenannten MVZ oder IGZ keine Investitionsobjekte für private Krankenhaus-Ketten werden. Deswegen schlagen wir fünf Planungsregionen vor. Und das Gute: Sie müssen diese Planungsregionen nicht mal erfinden, zuschneiden, einteilen oder was auch immer. Diese gibt es bereits im Landesentwicklungsplan. Das Ziel: die Herstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung auf gleichem Niveau in städtischen und ländlichen Regionen.

Es darf zu keinen weiteren Schließungen von Stationen und ganzen Einrichtungen kommen. Diese kalte Marktbereinigung wird nicht nur gesundheitlichen Schaden im Land anrichten. Die Landesregierung muss daher heute und nicht erst morgen die Frage beantworten, wie die Versorgung in Sachsen-Anhalt durch welche Krankenhäuser sichergestellt werden soll.

Mit unserem Antrag wollen wir die Defizite der Träger bis zur Reform ausgleichen. Wenn jetzt Krankenhäuser ungeplant schließen, dann brechen vor allem Strukturen in jetzt schon abgehängten Regionen weg. Nicht zuletzt sind Menschenleben dort gefährdet, wo die Gesundheitsversorgung nicht mehr vorhanden ist. Sachsen‐Anhalt muss als Flächenland seinen eigenen Weg finden.

Eine echte Reform wäre gar nicht so kompliziert. Sie würde beinhalten, dass Krankenhäuser die Gelder bekommen, die sie benötigen. Damit gewährleisten sie eine bedarfsgerechte Versorgung und bezahlen ihr Personal angemessen. Dieses Finanzierungsmodell heißt Selbstkostendeckung. Es entfällt der Anreiz, auf dem Rücken der Beschäftigten die Gewinne zu maximieren. Durch das Renditeverbot, das dieses Finanzierungsmodell innehat, verliert der Krankenhausbetrieb zudem an Reiz für private Investoren.“