Twitter-Umfrage zu »Taser-Testpiloten« – Offener Brief an die DPolG Berlin

Henriette Quade, Hakan Tas

Nach einer am Wochenende von der Deutsche Polizei-Gewerkschaft Berlin (DPolG) im sozialen Netzwerk Twitter veröffentlichten (wenn auch wieder gelöschten) Umfrage zu Politikerinnen und Politikern als »Taser-Testpiloten« wenden sich Henriette Quade und Hakan Tas, zwei der Betroffenen, in einem offenen Brief an die DPolG Berlin:

Nach einer am Wochenende von der Deutsche Polizei-Gewerkschaft Berlin (DPolG) im sozialen Netzwerk Twitter veröffentlichten (wenn auch wieder gelöschten) Umfrage zu Politikerinnen und Politikern als »Taser-Testpiloten« wenden sich Henriette Quade und Hakan Tas, zwei der Betroffenen, in einem offenen Brief an die DPolG Berlin: 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe DPolG Berlin, 
sicher ahnen Sie nach den diversen Reaktionen, die Sie auf ihren Tweet zum »Taser-Testpiloten« bekamen, weshalb wir uns heute an Sie wenden. Sie fanden es also witzig, eine Twitter-Umfrage zur Frage zu starten, welche Politikerin bzw. welcher Politiker von Ihnen zum Taser-Test eingeladen werden sollte. Kurze Zeit danach löschten sie diesen Tweet, nicht etwa mit einer Entschuldigung, sondern mit der Feststellung, dass der Taser kein Folterinstrument sei und Sie nicht den Eindruck erwecken wollten. Das Internet vergisst nicht, und so blieb auch Ihrem Tweet eine virale Diskussion im Netz und auch in einigen Printmedien nicht erspart.

Im Netz werden diverse Forderungen erhoben, allen voran die nach einer Entschuldigung Ihrerseits gegenüber den von Ihnen genannten Personen. Wir wollen gar nicht verhehlen, dass auch wir das mehr als angezeigt finden. Dies ist jedoch nicht der Grund für unser Schreiben. 
Was uns vielmehr besorgt und mit einiger Fassungslosigkeit erfüllt, ist, wie leichtfertig Sie als Polizistinnen und Polizisten einerseits zu Gewalt- und Folterphantasien gegenüber Politikerinnen und Politikern anregen und gleichzeitig die Waffe Taser in einer Weise verharmlosen, die wohl als einzigartig gelten darf.

Taser sind Waffen, die durchaus tödlich sein können und deren Einsatz schwerwiegende Verletzungen mit sich bringen bzw. nach sich ziehen kann. Der politische Streit um die Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Geeignetheit von Tasern als Standardausstattungselement der Polizei ist dabei eine Sache, und es ist Ihr gutes Recht, in diesem Streit jede Position zu vertreten, die Sie wollen. 

Dass Sie als Gewerkschaft von Polizistinnen und Polizisten aber, als Träger von Hoheitsaufgaben also, den Eindruck erwecken, Taser seien harmlos (siehe dazu auch der Selbsttest ihres Kollegen in Sachsen-Anhalt), es sei unbedenklich und noch dazu spaßig, damit herumzuspielen und zu testen, ist schlichtweg verantwortungslos. Wir befinden uns in einer Situation zugespitzter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Neben vielen anderen werden auch Politikerinnen und Politiker immer wieder Ziel von Attacken und Angriffen, die zu verhindern und aufzuklären Aufgabe der Polizei ist.

Polizistinnen und Polizisten leisten viel und stehen vor enormen Herausforderungen und Aufgaben. Wie soll Polizei als Institution Vertrauen und Reputation genießen, wenn durch eine Interessenvertretung von Polizistinnen und Polizisten nicht nur rassistische Witze in Kalendern verbreitet werden, jede Kritik an einzelnen Fällen polizeilichen Fehlverhaltens als haltlos und böswillig abqualifiziert wird, Sie sich in Sachsen-Anhalt (In Berlin eigentlich auch?) von einer Herstellerfirma von Tasern ungeniert sponsern lassen und nun auch noch Gewaltphantasien gegen Politikerinnen und Politiker anregen?

Nun könnte man sagen: Wen wundert es? Mit einem Bundesvorsitzenden, dessen Bücher nicht nur vom mindestens rechtsoffenen Kopp-Verlag beworben werden und der gefragter Interviewpartner für »Kopp-Online« ist und einem Berliner Landesvorsitzenden, der in den 90er Jahre für die Republikaner kandidierte, die u.a. forderten „Berlin muss deutsch bleiben“, völkische und nationalistische Politik betrieben und eng mit anderen rechtsextremen Gruppierungen kooperierten. [Edit: Absatz geändert, 28. Oktober 2016]

Doch Sie sind nicht irgendein Verein, Sie sind eine Interessenvertretung von Polizistinnen und Polizisten in einem demokratischen Rechtsstaat. 

Durch Ihr Agieren tragen Sie nicht nur einen Teil zur Vergiftung des politischen Klimas bei. Sie beschädigen auch das Ansehen von Polizistinnen und Polizisten in diesem Land und diskreditieren sich als ernst zu nehmender Akteur in innen- und sicherheitspolitischen Debatten nachhaltig und nach ihrer jüngsten Entgleisung endgültig. Einer Stellungnahme Ihrerseits sehen wir jedoch gespannt entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Henriette Quade, innenpolitische Sprecherin Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt 

Hakan Tas, innenpolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin